Remigration?! Ein Kommentar von H.D. Engel

Liebe Leserin, lieber Leser,
wie geht es Ihnen mit den neuerdings kursierenden Nachrichten über ein Treffen von Men-schen in Potsdam, bei dem über Remigration geredet worden sein soll? Kann es wirklich sein, dass es in unserem Land Mitbürgerinnen und Mitbürger gibt, die so wenig Geschichtskenntnisse besitzen, dass sie ernsthaft eine Staatsform anstreben, die an die Stelle von Freiheit und Demokratie auf brutale Gewalt gegen Menschen setzt?
Bitte tragen auch Sie mit Ihren Erinnerungen an die „Großdeutsche Zeit“ dazu bei, die Fol-gen einer Wiederholung des schlimmsten Teils Deutscher Geschichte zu verhindern!  Nicht oft genug kann geschildert werden, worauf man sich vorbereiten muss, wenn durch eine Wahl ermöglicht wird, die Freiheit abzuschaffen!
Mein persönliches Erlebnis, das Sie hier im Anhang lesen können, ist nur ein winziger Teil  der Untaten, die sich abspielen könnten, wenn der Wahnsinn sich durchsetzt.

 

Es war im April 1945, der in diesem Jahr ganz besonders frühsommerlich heiß ausfiel. Ich war siebeneinhalb Jahre alt und seit einem halben Jahr Schüler der kleinen Schule der da-mals unabhängigen Gemeinde Freiheit. Mein Lehrer hieß Onkel Tinne und war aus heutiger Sicht ein ganz besonderer Mensch, weil er im Sommer mit einer kurzen Lederhose zum Dienst erschien.
Wir Kinder hatten die Straße zum Spielen für uns, weil nur selten Fahrzeuge vorbeikamen, die uns hätten gefährden können. Ein weiterer Spielort war für uns ein kleiner Unterstand, der zu Luftschutzzwecken in den Berg Lattenbusch hinter den Häusern gegraben war. 
Dort machten wir gemeinsam unsere Pläne für die Zukunft in der wir uns in meinem Fall z.B. als Kreisleiter mit sechs Kindern und verheiratet mit meiner Freundin Ilse sahen. Auch das Ziel BDM und Hitler-Jugend, auf das wir wegen des Mindestalters noch mindestens drei Jahre warten mussten, war neben aufgeschnappten Inhalten der Gespräche der Erwachsenen, wie Endsieg, Wunderwaffe und Führer Thema zwischen uns.

Plötzlich und völlig unerwartet hörten wir nicht weit entfernt auf der Straße ein uns frem-des Geräusch. Es klang ähnlich wie Holzhacken und wurde, wie wir feststellten, nachdem wir zur Straße gerannt waren, von hunderten von Holzpantinen verursacht, die an den Füßen von vielen seltsam gekleideten Männern steckten, die sich dann mühsam an uns vorbeischleppten und immer wieder „Wasser, Wasser“ riefen.

Neben der Marschkolonne in den blau/weiß gestreiften Anzügen waren Soldaten mit Gewehren unterwegs, die öfter Vorwärts! oder Schneller! riefen. Einige der Bewachten zogen und schoben einen zweirädrigen Karren, der mit Menschen beladen war. Offensichtlich waren diese zum Laufen zu schwach, sollten aber nicht zurückbleiben. So hatte man sie, wie Kartoffelsäcke über ein-ander gestapelt.

Meine Mutter, die wie viele andere Erwachsene aus unserem Haus gekommen war, rannte schnell zurück, um mit einem Eimer Wasser für die Gefangenen zurückzukehren.Sie erhielt einen kräftigen Hieb mit dem Gewehrkolben von einem der Bewacher. Dann war der Elendszug vorbei, ist aber nie wieder aus meinem Kopf verschwunden, auch, weil ich heute die Vor- und die Nachgeschichte dieses Schreckensbildes kenne und einordnen kann.

Aufgeschrieben wurde von Historikern, dass das untergehende dritte Reich unmittelbar vor der Kapitulation versucht hatte, die Konzentrationslager zu verlegen, dabei aber im Fall Osterode an den Umständen (hier z.B. an der durch Bomben zerstörten Eisenbahnstrecke) scheiterte. Die Häftlinge kamen aus der Zwangsarbeit in der Nähe von Nordhausen und sollten in das Lager Bergen-Belsen gebracht werden. Weil der Plan Eisen-bahnfahrt scheiterte, wurde dann der Befehl zum Fußmarsch gegeben. Dass auf dem Marsch jeder erschossen wurde, der nicht mehr laufen konnte ist eine der Tatsachen, die nicht oft genug weiter erzählt werden kann!

Autor: Hans-Detlef Engel 

Info: Der Autor war viele Jahre Fraktionsmitglied der CDU Schenefeld, ist jedoch nach der letzten Wahl freiwillig aus der Politik ausgestiegen.